15 Minuten – vom Notruf bis zum Einsatzort. Die Zeit spielt bei der Feuerwehr eine entscheidende Rolle. Von den Stunden, welche die Mannschaft in den Schutz der Bevölkerung investiert, bis zur Zeit, die verstreicht, bis ein Feuer erlischt. Aber: «Es kommt nicht immer auf jede Minute an», sagt Christian Muff, Kommandant der Regiowehr Aesch. Der Schongauer gibt im letzten Teil unserer Sommerserie «Zeit» einen Einblick in die Feuerwehr.

In Stresssituationen die Ruhe bewahren. Vielen fällt das schwer – für Christian Muff ist es als Kommandant der Regiowehr Aesch ein Muss. «Entweder man ist der Typ dazu, oder nicht», sagt der 42-jährige Schongauer. Muff ist es. Selbst wenn er in seinem Landwirtschaftsbetrieb im Stress ist: «Sobald ein Einsatz ansteht, werde ich ruhig.» Eine gesunde Aufregung gehöre trotzdem bei jedem Notruf dazu. Sie helfe ihm, sich zu fokussieren. So fange es bei ihm auch nach 22 Jahren in der Feuerwehr immer wieder an «zu kribbeln», wenn die Zeit drängt. Das einzige, was dagegen helfe, sei die Routine. Als Kommandant ist Muff bei jedem Einsatz der Feuerwehr dabei. Im vergangenen Jahr waren es 34. Jeder davon sei anders: Bei einigen spielte die Zeit eine entscheidende Rolle – bei anderen weniger.
Wählt jemand die Notrufnummer 118, wird die Dringlichkeit von einer Einsatzzentrale beurteilt. Bei einem kleinen, nicht dringlichen Einsatz, wird Muff informiert und entscheidet anschliessend mit seinen Offizieren in einem Kommandogespräch über das Aufgebot. Bei einem dringlichen Notruf, wie einem Brand, sieht es anders aus: Die Mitglieder der Feuerwehr werden direkt angefordert – per Anruf und SMS mit Informationen zum Einsatzort. Bei Alarmstufe 1 etwa 20 Leute. Bei Alarmstufe 2 etwa 40 Leute. Und bei Alarmstufe 3 die komplette Feuerwehr. Die Regiowehr Aesch hat zurzeit 105 Mitglieder. «Man kann damit rechnen, dass etwa 50 bis 60 Prozent, der aufgebotenen Personen zum Einsatz fahren können», sagt Muff. Ist Not am Mann, kommt die Feuerwehr Hitzkirch zur Hilfe. Die Regiowehr Aesch besteht seit 2002. Damals fusionierten die Feuerwehren der Gemeinden Aesch, Schongau, Altwis und Mosen. Trägergemeinde und damit oberstes Organ ist die Gemeinde Aesch. Im Sommer feierte die Regiowehr ihr 20-Jahr-Jubiläum. Das Magazin mit einem Kommandoraum befindet sich in Schongau. Das habe unter anderem strategische Gründe, erklärt Muff: «Das Tanklöschfahrzeug hat geladen nicht viel PS.» In Aesch unten sei die Feuerwehr schnell, nach Schongau hoch zu fahren bräuchte mehr Zeit.
Vom Eingang des Notrufes bis zum Eintreffen beim Einsatzort dürfen gemäss Vorschriften der Gebäudeversicherung 15 Minuten vergehen. Von der Abfahrt im Magazin bis zum Einsatzort 10 Minuten. Damit diese Zeit eingehalten werden kann, sind Vorbereitungen nötig. Die Feuerwehrfahrzeuge sind immer am Strom, das Tanklöschfahrzeug zudem an der Luftpumpe angeschlossen. Alle Feuerwehrleute haben ihre Schutzkleidung immer griffbereit. Muff hat seine immer im Auto. Nur die Maschinisten und Fahrer legen einen Zwischenhalt beim Magazin in Schongau ein. Die restliche Mannschaft fährt direkt zum Einsatzort – auch Kommandant und Offiziere der verschiedenen Einsatzgruppen. «So können wir die Teams beim Eintreffen sofort anleiten.»
Muff gibt immer die Anweisung, nicht zu schnell zum Einsatzort zu fahren. «Lieber gut am Ziel ankommen, anstatt einen Unfall zu bauen.» Ohnehin sei es der Feuerwehr theoretisch nicht gestattet, schneller zu fahren als offiziell erlaubt. Nach dem Eintreffen am Einsatzort gelte es, nichts zu überstürzen. «Das musste ich zuerst auch lernen.» Insbesondere bei Bränden sei es immer schwierig, Ruhe zu bewahren. «Wenn man das Feuer sieht, will man es instinktiv so schnell wie möglich löschen.» Genau dabei könnten aber viele Fehler passieren, so der Kommandant. Es sei besser, einen Moment innezuhalten und das richtige Vorgehen zu besprechen. «Es kommt nicht immer auf jede Minute an», sagt Muff. Vielfach sei das Feuer an einem Ort begrenzt. Wenn man in so einem Fall schnell und falsch vorgehe, richte man mehr Schaden als Nutzen an. Beispielsweise mit dem Einsatz von zu viel Wasser. Es sei wichtig, für eine Feuerwehr mit der Zeit zu gehen, sagt Muff. Es gäbe immer wieder neues Material und neue Erkenntnisse, welche den Alltag für die Feuerwehrleute erleichtern. Ein Beispiel dafür seien die Wärmebildkameras. «Früher ging man blind in ein brennendes Gebäude rein und hat dadurch vielleicht Feuer oder gar eine Person übersehen.» Mit der modernen Technik könne das nicht mehr passieren. Überhaupt seien die Feuerwehrausbildungen besser und die Fahrzeuge leistungsfähiger geworden. «So macht die Arbeit noch mehr Freude», sagt der Kommandant. Einziger Haken: Die moderne Technik habe ihren Preis.
Wenig Zeitdruck hat die Regiowehr Aesch beispielsweise beim Putzen von Ölspuren oder dem Errichten von Überschwemmungsbarrieren. «Wir haben auch schon einem Landwirt dabei geholfen, ein entlaufenes Kalb wieder zu finden.» Die Zeit drängt dagegen bei der Feuerwehr insbesondere, wenn ein Brand droht, auf ein anderes Gebäude überzugehen oder es um Leben oder Tod geht. Auch solche Einsätze hat Muff schon erlebt. Diese seien glücklicherweise immer glimpflich ausgegangen. «Es macht schon stolz, wenn man jemanden retten kann.» Trotzdem könnten solche Einsätze die Mannschaft psychisch belasten. In zwei Fällen kamen bisher die Personen, die an vorderster Front dabei waren, am nächsten Tag nochmals für ein Debriefing zusammen. Mit dabei: Daniel Unternäher von der Regiowehr Aesch, der den Pastoralraum Hitzkirchertal leitet und als Seelsorger tätig ist. «Bei dem Gespräch konnten die Feuerwehrleute über das Erlebte sprechen. Das ist gut, um Stress abzubauen.» Zudem fördere es den Zusammenhalt in der Mannschaft. Dieser sei in der Feuerwehr sehr wichtig. Die Zeit, die man zusammen verbringe, kostbar. Im vergangenen Sommer führte die Regiowehr Aesch nach der Corona-Zwangspause einen Anlass im Schongiland durch. Alle Feuerwehrleute durften mit Kindern und Partnerinnen und Partnern, an dem Anlass teilnehmen. Einerseits als Dankeschön, da die Feuerwehrleute oft nicht zu Hause seien. «Andererseits ist es auch gute Werbung für die Kinder, damit sie später vielleicht auch in die Feuerwehr kommen möchten.» An Nachwuchs fehle es zurzeit aber nicht. «Es melden sich jedes Jahr genügend Interessierte.»
Bei seinen Feuerwehreinsätzen verspürt der Schongauer immer Druck, keine Fehler zu machen. Egal ob es sich um einen Einsatz handelt, bei dem Geschwindigkeit gefragt ist, oder nicht: «Ich will es immer allen Recht machen.» Beschäftigen tun ihn vor allem die Einsätze, wo er das nicht konnte, selbst wenn es nicht seine Schuld war. Nach jedem Einsatz überlegt er sich, was er hätte besser machen können. Schlussendlich liegt die Verantwortung von jedem Einsatz bei ihm als Kommandant. Muff hat das Amt seit 2016 inne. Als Vorsteher der Regiowehr Aesch ist er für die ganze Führung der Feuerwehr zuständig, präsidiert die Feuerwehrskommission und kümmert sich unter anderem um das Kurswesen. Die Personalplanung mache einen grossen Teil seiner Arbeit aus. So findet ein grosser Teil von Muffs Arbeit hinter dem Computer-Bildschirm statt. Er habe sich nie um den Posten gerissen. Auch Feuerwehrmann zu werden, sei eigentlich nie ein «Bubentraum» von ihm gewesen. «Es hat sich einfach so ergeben», sagt der Schongauer.
Ursprünglich wurde er angefragt, ob er bei der Feuerwehr mitmachen will, er sagte zu, es gefiel ihm, er blieb. Schliesslich schlug ihn sein Vorgänger als Nachfolger vor. Als Landwirt sei er einerseits flexibel und könne immer an die Einsätze gehen, begründet Muff seine Wahl. Andererseits habe er wohl «seinen Job nicht so schlecht gemacht». Die Rolle des Kommandanten reizte ihn. Einzig vor den Leuten Reden zu halten, fiel ihm am Anfang schwer. Er sei noch nie ein grosser Redner gewesen, halte sich oft kurz. Aber gerade das schätzte die Mannschaft an ihm. Mittlerweile habe er sich daran gewöhnt. «Die Feuerwehr ist eben auch eine Lebensschule.» Gemäss dem Feuerwehrverband kommt ein Kommandant einer Feuerwehr der Grössenklasse 2, wie es die Regiowehr Aesch ist, auf etwa 200 Stunden Arbeit im Jahr – bei Muff gehe es eher Richtung 300 Stunden. «Ich mache es gerne, es ist ein guter Ausgleich zu meiner Arbeit als Landwirt.» Ihn treibe es an, den Menschen zu helfen. Vor allem in der Not, wenn sie es am meisten bräuchten. Feuerwehrleute müssen immer auf Abruf sein, opfern einen grossen Teil ihrer Freizeit für das Wohl der Allgemeinheit (siehe Kasten). Muff: «Bei der Feuerwehr muss man mit Herzblut dabei sein.»
Zahlen Die Regiowehr Aesch veröffentlicht jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht mit ihren Einsätzen. Im vergangenen Jahr leisteten die Mitglieder der Feuerwehr insgesamt 1255 Stunden und 34 Minuten Einsatz. Dabei rückte sie 34 Mal aus. Im Jahr 2020 waren es rund 825 Stunden an 24 Einsätzen.
Von den 34 Einsätzen im vergangenen Jahr, waren zwei auf die Kategorie «BMA (Brandmeldeanlage) unecht» zurückzuführen. Für die beiden Einsätze in Mosen waren die Mitglieder der Feuerwehr insgesamt 32 Stunden im Einsatz.
Viermal rückte die Regiowehr Aesch für die Brandbekämpfung aus. 319 Einsatzstunden und 35 Minuten leistete die Feuerwehr, um die Brände zu löschen.
Auf die Kategorie «Diverse Einsätze» sind insgesamt 524 Stunden und 10 Minuten bei sieben Einsätzen zurückzuführen. Dazu rückte die Feuerwehr unter anderem aus, um einen LKW zu bergen, einen Hochwasserschutz zu errichten oder eine Katze vom Dachfirst zu retten. Bei acht Elementarereignissen leistete die Regiowehr Aesch 227 Stunden und 37 Minuten Einsatz. Bei acht «nicht alarmmässigen Einsätzen», wie der Errichtung einer Strassensperrung oder dem Sirenentest kamen 117 Stunden und 40 Minuten zusammen. Die Ölwehr rückte in fünf Einsätzen aus und war dabei 34 Stunden und 42 Minuten im Einsatz.
Neben den Einsätzen absolvierte die ganze Mannschaft der Regiowehr Aesch 2762 Übungsstunden an 52 Übungen.