Wasser marsch – bereit wenns brennt

 

Offizier Wassertransport. Diese Rolle übernahm Feuerwehrmann Adrian Wydler am vergangenen Freitag an der Hauptübung der Regiowehr Aesch. Der «Seetaler Bote» hat den Schongauer während des Einsatzes begleitet.

Offizier Adrian Wydler gibt dem Einsatzleiter einen Zwischenbericht ab. Der Wassertransport läuft nach Plan. 
 Fotos: Milena Stadelmann

19 Uhr. Das Handy von Adrian Wydler leuchtet auf. SMS von Kommandant Christian Muff. Grossbrand in Aesch. Alarmstufe 3. Die Hauptübung der Regiowehr Aesch beginnt. Wydler springt auf, zieht sich um, sprintet zum Auto. Er übernimmt heute die Rolle des ­Offiziers Wassertransport. Das Ziel: diesen innert 20 Minuten organisieren. Das sorgt bei Wydler trotz Übung für einen Adrenalinkick. Innert drei Minuten trifft er beim Magazin in Schongau ein. Wer dort ankommt, nimmt ein Fahrzeug zum Einsatzort mit. Die ersten Feuerwehrautos sind bereits weg. Ein Kollege fährt mit dem Einsatzleiterfahrzeug vor. Wydler steigt ein. Während der Fahrt zum Übungsort gibt der Offizier einen Funk ab. «Regiowehr Schlauchverleger. Regiowehr Wydler. Antworten.» Das Funkgerät piepst. Der Beifahrer aus dem Schlauchverleger-Fahrzeug antwortet. Wydler gibt Anweisungen: Der Wassertransport fängt beim unteren Hydranten bei der Eggstrasse in Aesch an. «Verstanden», sagt die Stimme aus dem Funkgerät.

Wydler ist seit neun Jahren bei der Regiowehr Aesch dabei und Feuerwehrmann aus Leidenschaft. Ihm gefällt, dass er dadurch anderen Menschen helfen kann. Auch die Kameradschaft in der Feuerwehr schätzt der gelernte Lastwagenmechaniker. Und das Adrenalin. «In dem Moment wo ein Notruf kommt, konzentriere ich mich nur noch auf den Einsatz.»

19.08 Uhr. Wydler kommt beim Übungsort an. Die Verkehrsabteilung der Feuerwehr ist bereits vor Ort und leitet den Verkehr. Die Autos der eingetroffenen Feuerwehrleute stehen am Strassenrand. Zügig laufen sie in die Richtung des imaginären Feuers. Auf der Rückseite ihrer Jacken steht Feuerwehr, die Leuchtstreifen der Schutzkleidungen reflektieren im Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos. Wydler springt aus dem Fahrzeug.

Übung für den Ernstfall

Die Hauptübung der Regiowehr Aesch findet einmal im Jahr statt. Dann üben über 100 Feuerwehrmänner und -frauen das Szenario eines Grossbrandes der Alarmstufe 3. Wählt im Ernstfall jemand die Notrufnummer 118, wird die Dringlichkeit von einer Einsatzzentrale beurteilt. Bei einem kleinen, nicht dringlichen Einsatz, wird der Kommandant informiert und entscheidet mit seinen Offizieren in einem Kommandogespräch über das Aufgebot. Bei einem dringlichen Notruf werden die Mitglieder der Feuerwehr direkt angefordert – per Anruf und SMS mit Informationen zum Einsatzort. Bei Alarmstufe 1 etwa 20 Leute. Bei Alarmstufe 2 etwa 40 Leute. Bei Alarmstufe 3 die komplette Feuerwehr.

In einem Ernstfall bekäme Wydler seine Aufgabe erst am Einsatzort zugeteilt. Bei den Hauptübungen informiert Kommandant Muff jeweils einige Offiziere und den Einsatzleiter im Voraus. So können spezifische Szenarien geübt werden.

Trinkwasser einsparen – 
Wassertransport sicherstellen

19.10 Uhr. Wydler sucht den Einsatzleiter, läuft über den Platz. Er muss sich bei ihm anmelden. Das Licht seiner Stirnlampe strahlt in die Dunkelheit. Der Motor des Tanklöschfahrzeuges brummt, Feuerwehrleute stellen die Beleuchtung auf. Der Einsatzleiter erklärt Wydler die Situation. Küchenbrand im 1. Obergeschoss, vier Rettungen. «Dein Auftrag ist es, den Wassertransport sicherzustellen.» Verstanden. Umgehend beginnt der Offizier damit, sein Team zusammenzustellen. Er braucht Maschinisten. Wenn er einen findet, gibt er ihm Anweisungen. Eine Motorspritze, die den Wasserdruck in den Schläuchen erhöht, muss in der Nähe des Tanklöschfahrzeuges, ein aufblasbares Wasserbecken ein paar Meter dahinter stehen. Dort wird später ein Güllelastwagen vorfahren. Ohne Gülle, dafür mit 25 000 Liter Seewasser im Tank.

Adrian Wydler gibt einem Maschinisten Anweisungen.

Das Konzept hat die Regiowehr Aesch im trockenen Sommer 2018 entwickelt. Bei einem Grosseinsatz bringt die Transportfirma Müller Maschinenbetrieb von Hohenrain mit bis zu drei Güllelastwagen im Turnus Wasser vom See auf den Brandplatz. Dadurch wird die Trinkwasserversorgung entlastet. Beim ersten Versuch sorgte die Restgülle im Tank des Lastwagens für Probleme. Das feine Stroh im Gülle-Wassergemisch verstopfte die Siebe im Ansaugrohr der Motorspritzen. «Das Fass muss gut ausgespült werden», sagt Wydler.

Inzwischen hat sich das Konzept bewährt. Zum zweiten Mal kam es beim Grossbrand in Müswangen vor einem Jahr in den Einsatz. Da kein Wasser mehr aus dem Netz kam, zog es den Maschinisten die Schläuche zusammen. Da es weder einen Bach noch einen Löschweiher in der Umgebung gab, war das Seewasser das einzige Löschmittel, das zur Verfügung stand. Die Transportfirma Müller beförderte mit drei Fässern 26 Stunden lang um die 800 000 Liter Seewasser von Aesch nach Müswangen.

Die übliche Chaosphase

19.20 Uhr. Stimmengewirr. Funksprüche. Die sogenannte Chaosphase des Einsatzes läuft. «Bei einer Übung ist das nicht anders als bei einem Ernstfall», sagt Wydler. Während sich der Atemschutz ausrüstet, verlegen andere Feuerwehrleute die Schläuche. Der Stellvertreter des Einsatzleiters stellt ein Flipchart auf. Wydler sucht weitere Maschinisten. Der Schlauchverleger ist auf dem Weg vom Hydranten an der Eggstrasse in Richtung des Brandplatzes. Der Offizier steigt ins Einsatzleiterfahrzeug, beschleunigt und fährt dem Fahrzeug entgegen. Auf dessen Höhe hält er an, fragt nach dem Rechten. «Das läuft», sagt Wydler. Er beschleunigt wieder, folgt dem Schlauch bis zum Hydranten. Feuerwehrmänner legen die Schläuche zurecht. Eine zweite Motorspritze wird in Position gebracht. Alles läuft nach Plan.
An dem Hydranten ist eine Motorspritze angeschlossen.

19.22 Uhr. Wydler gibt beim Hydranten Anweisungen. Wenn der Transport läuft, soll jemand Schlauchwart machen und jemand die zweite Motorspritze anfunken. Ist diese bereit, kann das Wasser vom Hydranten losfliessen. Der Offizier rennt zurück zum Auto. Es geht wieder auf den Übungsplatz. Im Fahrzeug erklingt der Funk: «Regiowehr Aesch. Motorspritze 1 an Motorspritze 2. Antworten.» Das Funkgerät piepst. Antwort. Das Wasser kann langsam abgegeben werden. Ein weiterer Funk. Eine andere Abteilung: Eine Stimme bietet eine zweite Ambulanz auf.

Güllelastwagen – Wasserbecken – Hubretter

19.29 Uhr. Der Hubretter der Feuerwehr Hochdorf ist beim Brandplatz in Aesch eingetroffen. Mit ihm können Brände von oben gelöscht werden. Ab Alarmstufe 3 ist der Hubretter automatisch im Alarmdispositiv hinterlegt. Er kommt inklusive eines Teams, das ihn betreibt, zum Einsatzort. Auch der Schlauchverleger ist eingetroffen. Feuerwehrmänner hängen die Schläuche am Tanklöschfahrzeug an. Aus anderen Schläuchen am Boden fliesst Wasser. Es bilden sich Pfützen, darin spiegeln sich die Schutzkleider der Feuerwehrleute. Wydler gibt einen Funkspruch an die Motorspritze ab. Das Wasser läuft. Zeit für eine Zwischenmeldung beim Einsatzleiter.

Feuerwehrmänner schliessen Schläuche am Tanklöschfahrzeug an.

«Rückmeldung Wassertransport. Schwerer Wassertransport ist erstellt. Wassertransport über Transport Müller wird in Betrieb genommen. Müller ist unterwegs.» Der Hubretter bringt sich während dem Zwischenbericht in Position. Die Sanität trägt eine Person mit roter Farbe im Gesicht vorbei. Wydler sprintet zum aufgebauten Wasserbecken zurück. Dieses dient als Puffer, damit das Wasser in einem Ernstfall weiter fliessen kann, währenddessen die Schläuche zwischen zwei Güllelastwagen abgekoppelt und wieder angeschlossen werden.

19.34 Uhr. Die Scheinwerfer des Güllelastwagens tauchen auf der Strasse auf. Wydler gibt dem Fahrer mit einer Taschenlampe Zeichen, wo er hinfahren soll. Der Lastwagen steht, ein Schlauch wird am Tank befestigt. Der Wassertransport ist organisiert.

Der Güllelastwagen mit dem Wassertank ist beim Übungsplatz eingetroffen. Feuerwehrleute bauen das Wasserbecken auf.
19.43 Uhr. Das Seewasser vom Güllelastwagen läuft ins Becken ab. Von da pumpt es die Feuerwehr mit den Motorspritzen zum Hubretter. Heute sprüht dieser das Wasser nicht in ein Feuer, sondern über das Dach des Hauses hinweg. Wydler wird ruhiger. Der Adrenalinspiegel sinkt. Er kann durchatmen. In einem Ernstfall würde er nun dafür sorgen, dass die Wasserversorgung aufrechterhalten bleibt. Für heute ist sein Auftrag getan.
Der Hubretter spritzt das Wasser über die Scheune hinweg.

Kein Rekord, aber gute Zeit

19.50 Uhr. «Übung Halt», ruft der Einsatzleiter über den Platz. Die Motoren der Fahrzeuge und Maschinen verstummen. 105 Feuerwehrleute versammeln sich auf dem Übungsplatz. Kommandant Christian Muff begrüsst die Mannschaft. Die einzelnen Abteilungen bekommen eine Rückmeldung zu ihrer Leistung. Anstatt innert 20 Minuten war der Wassertransport in etwa 30 Minuten organisiert. Ansonsten hat der Ablauf vom Wasserbecken zum Hub- retter funktioniert.

 

Wydler ist zufrieden. Es gab keine Unfälle, er musste bei seinen Leuten nie dazwischen greifen. Alles hat funktioniert. Eine Rekordzeit sei zwar nicht gelungen, dennoch eine gute Zeit. «Im Ernstfall bringen wir das in 20 Minuten hin», sagt er. Die Hauptübung der Regiowehr Aesch ist vorbei. Die Feuerwehrleute rollen die Schläuche auf, bauen das Wasserbecken zurück und fahren die Fahrzeuge zurück ins Magazin. Dort bleiben sie. Bis zum nächsten Notruf.

Die Feuerwehrleute rollen die Schläuche wieder zusammen. Die Hauptübung ist zu Ende.