«Ich möchte etwas bewirken»

Politisieren, ihre Meinung kundtun, Änderungen vorantreiben. Die Aescherin Jiline Casanova ist seit bald drei Jahren politisch aktiv. Mit dem «Seetaler Bote» spricht die 16-Jährige über ihr Engagement, Herausforderungen, die damit einhergehen und weshalb die Politik sie fasziniert.

Jiline Casanova vor dem Kulturzentrum Braui in Hochdorf, wo sie Ende Oktober an der Delegiertenversammlung der Mitte Kanton Luzern eine Rede hielt. Foto: Milena Stadelmann

Unter Applaus trat Jiline Casanova Ende Oktober von der Bühne des Kulturzentrums Braui in Hochdorf. Vor 505 Mitte-Politikerinnen und -Politiker hielt sie an der Delegiertenversammlung der Mitte Kanton Luzern eine Rede. Als «Gotti» der Ermenseerin Claudia Wedekind sprach sie sich für deren Nomination für die Regierungsratswahlen im April aus – für die 16-jährige Aescherin eine grosse Chance, sich auf der politischen Bühne zu beweisen. Casanova ist seit drei Jahren politisch engagiert. Sie ist Mitbegründerin der Jungen Mitte Wahlkreis Hochdorf und seit Anfang November im Vorstand der Jungen Mitte Kanton Luzern.

 

Jiline Casanova, viele Jugendliche in Ihrem Alter interessieren sich eher für Partys als für Politik. Woher kommt Ihr politisches Interesse?
Jiline Casanova: In meiner Familie diskutieren wir oft über politische Themen. Das hat sicher dazu beigetragen. Das politische Interesse war bei mir aber schon immer da. Zum ersten Mal in den Kontakt mit der Politik kam ich in der Sekundarschule. Wir besuchten mit dem Schülerrat die Jugendsession in Luzern. Die Diskussionen und die Möglichkeit, etwas mitzuentscheiden, faszinierten mich.

Mit 13 Jahren traten Sie als jüngstes Mitglied dem Vorstand des Jugendparlaments des Kantons Luzern bei. Wie kam es dazu?
Bei unserem Besuch an der Jugendsession gab es viele Themen, die ich sehr spannend fand. Ich habe mich getraut, mich zu melden und meine Meinung zu äussern. Viele Junge sind da eher zurückhaltend. Da ich mich gut ausdrücken konnte, bin ich aufgefallen und wurde für den Vorstand angefragt.

Fiel es Ihnen schon immer leicht, vor anderen Menschen zu reden?
Präsentationen waren in der Schule immer meins. Vor Leuten stehen, kommunizieren, Gespräche führen. Das mache ich sehr gerne. Auch an politischen Anlässen.

Sind Sie dabei aufgeregt?
Ja, aber es ist eine positive Aufregung. Es geht in der Politik um Themen, die mich interessieren und für die ich mich stark machen will. Dabei darf ich mich voll einbringen.

Gibt es politische Themen für die Sie sich besonders einsetzen möchten?
Manchmal fällt es mir schwer, mich bei politischen Themen klar dafür oder dagegen auszusprechen. Ich finde es gut, wenn ich Argumente von Personen mit mehr Lebenserfahrung in meine Meinungsbildung einfliessen lassen kann, ich möchte mich dadurch aber nicht zu sehr beeinflussen lassen. Ich habe auch noch etwas Respekt davor, falsche Aussagen zu machen und möchte anderen keine Angriffsfläche bieten. Die Förderung der Jungpolitik ist mir aber sicher ein grosses Anliegen.

Sind Sie also für Stimmrechtsalter 16?
Das ist genau so ein Thema, wo ich mich nicht klar festlegen kann. Ich selber fände es cool, wenn ich bereits abstimmen könnte. Ich bin aber auch Realist. Viele Jugendliche in meinem Alter interessieren sich nicht für die Politik. Ich kenne parteiübergreifend vielleicht knapp 15 Jungpolitikerinnen und -politiker aus der Region. Wie hoch wären also die Kosten, um die Stimmcouverts zu verschicken und wie gross wäre die Stimmbeteiligung der Jugendlichen? Aufwand und Ertrag müssten gut abgewogen werden. Jedoch unterstütze ich das Fördern der Jungpolitik und das frühe Auseinandersetzen mit diesem Thema sehr.

Stört es Sie nicht, dass Sie sich politisch engagieren, schlussendlich aber nicht mitbestimmen dürfen?
Nicht unbedingt. Wenn ich das erste Mal einen Stimmzettel ausfüllen darf, werde ich bestimmt sehr stolz sein. Mein politisches Interesse und mein Engagement hängen aber nicht davon ab, ob ich wählen darf. Ich kann mir bereits jetzt ein Gerüst aufbauen, falls ich später zum Beispiel ein politisches Amt übernehmen möchte.

Im Februar dieses Jahres haben Sie und Ihre Schwester Cheyenne Casanova die Junge Mitte Wahlkreis Hochdorf mitgegründet und sind damit der Partei beigetreten. Warum gerade die Mitte?
Obwohl meine Mutter in der Partei ist, hatte das in erster Linie nichts mit ihr zu tun. Die Mitte war die erste Partei, die mich politisch gefördert und unterstützt hat. Meine politische Ausrichtung stimmt ausserdem sehr gut mit ihr überein. Die Natur ist mir ein grosses Anliegen, aber ich sehe mich nicht bei den Grünen. Die Anliegen der Bauern liegen mir ebenfalls am Herzen, ich sehe mich aber auch nicht bei der SVP. Ich bin politisch in der Mitte.

Ihr habt die Jungpartei mit acht Mitgliedern gegründet. Konntet Ihr bereits neue Mitglieder gewinnen?
Die Suche nach neuen Mitgliedern gestaltet sich schwierig. Die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, ist bei vielen Jugendlichen gering. Wenn junge Menschen an der Politik interessiert sind, wissen sie meistens bereits, zu welcher Partei sie möchten. Zurzeit besuchen wir mit der Jungen Mitte Wahlkreis Hochdorf immer wieder zusammen politische Anlässe, um Präsenz zu zeigen. Das kommt gut an. Unser Ziel ist es aber, in Zukunft aktiver zu sein und eigene Anlässe zu organisieren.

Andere Jugendliche in Ihrem Alter gehen auf die Strasse und streiken, um politisch mitzuwirken. Warum engagieren Sie sich in einer Partei?
Demonstrieren hat mich bisher persönlich nie gereizt. Ich bin keine Person, die sich auflehnt. Ich kann mir mittlerweile gar nicht vorstellen, wie es wäre, ohne Partei zu politisieren. Die Mitte ist für mich wie eine grosse Familie, in der alle dieselben Grundsätze haben. Wenn mir etwas am Herzen liegt, das ich an der Schweiz ändern möchte, habe ich eine ganze Mannschaft im Rücken. Die Mitgliedschaft in einer Partei – egal in welcher – sehe ich auch als Vorteil, um in der Politik Karriere zu machen.

Damit geht es bei Ihnen vorwärts. Seit Anfang November sind Sie im Vorstand der Jungen Mitte Kanton Luzern.
Genau, ich wurde für diesen angefragt, nachdem es mehrere Abgänge gab. Ich weiss noch nicht genau, was für Aufgaben dort auf mich zukommen. Ich bin aber gespannt, wie es wird. Ich sehe das für mich als grosse Chance.

Haben Sie politische Ziele, die Sie erreichen möchten?
Nicht unbedingt. Ich muss zuerst schauen, wo mich mein beruflicher Weg hinführt und wie dann meine Prioritäten aussehen. Ich möchte politisch etwas bewirken, das weiss ich. In welcher Form kann ich allerdings noch nicht sagen.

Was war bisher das Highlight Ihrer politischen Karriere?
Bestimmt die Rede, die ich für Claudia Wedekind an der Delegiertenversammlung der Mitte Kanton Luzern halten durfte. Diese Aufgabe war für mich eine grosse Verantwortung. Ich war mit Abstand die jüngste Rednerin an dem Abend. Im Nachhinein habe ich viele Gratulationen zur geglückten Rede erhalten, auch von gestandenen Politikerinnen und Politikern.

Sie sind mittlerweile seit gut drei Jahren politisch aktiv. Gibt es Erkenntnisse über die Politik, die Sie zu Beginn noch nicht hatten?
Das ist eine spannende Frage. Vielleicht, dass das ganze politische System komplizierter ist, als gedacht. Als ich in den Vorstand des Jugendparlaments des Kantons Luzern kam, hatte ich noch keine Ahnung. Ich wusste nicht einmal, was eine Traktandenliste ist. In den vergangenen drei Jahren hat sich mein politisches Wissen bereits enorm erweitert. Durch die Wahlen im kommenden Jahr kann ich dieses bestimmt noch einmal ausbauen. Wenn man sich mit politischen Themen auseinandersetzt, fördert das auch die Allgemeinbildung. Das finde ich sehr spannend.

Was für Eigenschaften muss ein junger Mensch mitbringen, um in der Politik erfolgreich zu sein?
Offenheit ist sehr wichtig. In der Öffentlichkeit müssen sich Politikerinnen und Politiker ständig selber repräsentieren. Das kann herausfordernd sein. Ich musste das ebenfalls zuerst lernen. Junge müssen zudem den Mut haben, um auf andere Menschen zuzugehen, hinzustehen und ihre Meinung zu äus­sern. Dabei geht man manchmal auch die Gefahr ein, belächelt zu werden.

Wie gehen Sie damit um?
Ich bin der Meinung, dass es sehr wichtig ist, sich für die politische Zukunft des Landes einzusetzen, auch in jungen Jahren. Viele Entscheide, die wir heute fällen, betreffen schlussendlich die Jungen.

Zur Person

 

Jiline Casanova wuchs in Schongau auf und wohnt seit Anfang Dezember mit ihrer Familie in Aesch. Die 16-Jährige hat zwei Schwestern, Cheyenne (18) und Chenille (10). Ihre ältere Schwester ist Mitgründerin der Jungen Mitte Wahlkreis Hochdorf, ihre Mutter Melanie Casanova-Gubser ist Co-Präsidentin der Mitte Wahlkreis Hochdorf und war bis Ende November Gemeinderätin von Schongau. Jiline Casanova spielt seit ihrer Kindheit Fussball und ist Mitglied im Frauenfussball Seetal. Die Aescherin ist zurzeit im zweiten Jahr ihrer kaufmännischen Lehre mit Berufsmatura auf der Gemeindeverwaltung in Hitzkirch. mst