Bücherwurm

Das Buch auf meinem Nachttisch droht zu verstauben. Seit Monaten habe ich es nicht angerührt. Inzwischen ist es zur Dekoration verkommen, sogar schon als Tassenuntersetzer musste es herhalten. Das wird seinem Inhalt nicht gerecht, geschweige denn seinem Autor. Geschrieben wurde es von einem der bekanntesten Wissenschaftler unserer Zeit: Dem 2018 verstorbenen Astrophysiker Stephen Hawking. Das Buch «Kurze Antworten auf grosse Fragen» habe ich vor zwei (!) Jahren zu Weihnachten geschenkt bekommen. Seitdem habe ich gerade mal das Vorwort gelesen.

So ergeht es vielen meiner Bücher. Ich kaufe sie voller Tatendrang, will sie noch am selben Tag verschlingen – doch dann landen sie in meinem Bücherregal und gammeln neben ihren Leidensgenossen vor sich hin. Früher war das anders: Als Kind war ich nächtelang wach, um meine Bücher zu lesen. Doch damals hatte ich auch noch kein Smartphone, keinen Laptop und keine uneingeschränkte Internetverbindung. Heute bin ich nächtelang wach, um meine aktuelle Lieblingsserie zu schauen.

Dabei hätte das Lesen so viele Vorteile: Es soll Alzheimer vorbeugen, Stress reduzieren, den Wortschatz und den Horizont erweitern, die Kreativität fördern und nicht zuletzt soll ein Buch in der Hand sogar sexy machen.
Am Wochenende starte ich einen neuen Versuch. Ich lege das Handy zur Seite und schalte den Laptop aus. Die nächste Folge meiner Lieblingsserie kann warten. Ich nehme das Buch vom Nachttisch, puste den Staub vom Buchdeckel und schlage es auf. Es ist spannend, ich lese weiter. Doch bereits nach den ersten paar Seiten werden meine Augenlider immer schwerer und schwerer. So macht es keinen Sinn weiterzulesen. Ich schalte das Licht aus und schlafe kurz darauf ein. Ja, das Lesen wirkt bei mir besser als jeder Baldriantee.
In seinem Buch versucht Stephen Hawking Antworten auf viele komplizierte Fragen zu geben: Gibt es einen Gott? Was befindet sich in einem schwarzen Loch? Oder werden wir auf der Erde überleben? Doch eine Antwort kennt selbst er nicht: Weshalb zum Teufel schaffe ich es nicht, dieses Buch zu Ende zu lesen?