Altem Handwerk geht das Feuer aus

Das traditionelle Handwerk des Kunstschlossers beherrschen in der Schweiz nur noch wenige. Einer davon ist Gabriel Schenkel aus Eschenbach – doch auch sein Wissen wird mit ihm verloren gehen.

Gabriel Schenkel ist noch einer der wenigen, der das traditionelle Handwerk des Kunstschlossers beherrscht. Foto: Milena Stadelmann

Die Flammen lodern in der Esse der Schmiede. Die Wärme des Feuers verteilt sich in der kalten Werkstatt. Gabriel Schenkel hält einen Eisenstab in die Flammen, zieht das glühende Metall aus dem Schmiedefeuer und formt es mit einer Zange. Sein Sohn Renato Schenkel beobachtet die routinierten Griffe des gelernten Kunstschlossers. Hier im Acherfang in Eschenbach bei der Schenkel Metallbau GmbH wird noch richtig geschmiedet – doch es ist zur Seltenheit geworden.

«Die Nachfrage nach Schmiedeeisen ist einfach nicht mehr vorhanden», sagt Gabriel Schenkel. Früher verdiente der 60-Jährige damit sein Geld. 1975 bildete er sich in der Schmiede seines Pflegevaters zum Kunstschlosser aus. Vor über 35 Jahren gründete Gabriel Schenkel sein Unternehmen. Tagtäglich stand er am Feuer. Stellte Kerzenständer, Eingangstore, Geländer oder Fenstergitter her. In Originalgrösse zeichnete er seine Werke mit Kohlestift auf Papier. Das Geschäft lief gut, seine Arbeit war gefragt.Die Flammen lodern in der Esse der Schmiede. Die Wärme des Feuers verteilt sich in der kalten Werkstatt. Gabriel Schenkel hält einen Eisenstab in die Flammen, zieht das glühende Metall aus dem Schmiedefeuer und formt es mit einer Zange. Sein Sohn Renato Schenkel beobachtet die routinierten Griffe des gelernten Kunstschlossers. Hier im Acherfang in Eschenbach bei der Schenkel Metallbau GmbH wird noch richtig geschmiedet – doch es ist zur Seltenheit geworden.

«Die Nachfrage nach Schmiedeeisen ist einfach nicht mehr vorhanden», sagt Gabriel Schenkel. Früher verdiente der 60-Jährige damit sein Geld. 1975 bildete er sich in der Schmiede seines Pflegevaters zum Kunstschlosser aus. Vor über 35 Jahren gründete Gabriel Schenkel sein Unternehmen. Tagtäglich stand er am Feuer. Stellte Kerzenständer, Eingangstore, Geländer oder Fenstergitter her. In Originalgrösse zeichnete er seine Werke mit Kohlestift auf Papier. Das Geschäft lief gut, seine Arbeit war gefragt.

Die Zeiten ändern sich

Heute passen die Fenstergitter nicht mehr zu den modernen Häusern, Kerzenständer werden industriell gefertigt. «Die Leute wollen ihre Produkte immer schneller und billiger», sagt Renato Schenkel. Da könne die traditionelle Produktion von Schmiedeeisen nicht mithalten.

Deshalb steht Vater Gabriel heute selten an der Esse. Ab und zu bekommt er einen Restaurationsauftrag. Zuletzt hat er die Friedhofstore bei der katholischen Pfarrkirche in Ballwil wieder instand gesetzt (der «Seetaler Bote» berichtete). «Solche Arbeiten bereiten mir jedes Mal eine riesige Freude», sagt Gabriel Schenkel. Auf eine Restauration ist er besonders stolz: Vor ein paar Jahren durfte er den Bug- und Heckschmuck der «Savoie» – einem Dampfschiff auf dem Genfersee – erneuern. Gabriel Schenkel würde gerne wieder mehr schmieden. Seine Spezialität sind Kupfertreibarbeiten. Dabei werden Formen mit einem Meissel in das Metall geschlagen. Doch regelmässige Aufträge bleiben aus. Das sei zwar schade. Doch: «Das ist der Lauf der Zeit», sagt Gabriel Schenkel. «Dagegen kann man nichts machen.»

Ein Familienunternehmen

Heute hat das Unternehmen von Gabriel Schenkel einen anderen Schwerpunkt. Das ist auf das Ende der 1980er-Jahre zurückzuführen. Damals folgte für ihn und sein Unternehmen ein Paukenschlag. Die Schweiz befand sich aufgrund des Börsencrashs in den USA in einer Rezession. «Die Nachfrage für Schmiedeeisen ging damals stark zurück», erzählt Schenkel. Er hatte die Wahl: sein Unternehmen aufgeben oder auf den Metallbau umsteigen. Er entschied sich für Letzteres. Obwohl er damals «noch wenig Erfahrungen hatte».

Die Schenkel Metallbau GmbH ist bis heute auf Schlosserarbeiten im Metallbau spezialisiert. Neben Schmiedeeisen stellt das Unternehmen unter anderem Balkonverglasungen, Glasdächer, Geländer, Treppen und Kunstoffhandläufe her. Inzwischen ist Gabriels Sohn Renato ins Geschäft eingestiegen. Für ihn war schon immer klar: Er will in die Fussstapfen seines Vaters treten. Schon als Jugendlicher hat er nach der Schule seinem Vater bei Montagen geholfen. «Ich hatte nie das Bedürfnis, etwas anderes auszuprobieren», sagt Renato Schenkel. 2008 hat er seine Ausbildung zum Metallbauer abgeschlossen und danach eine Lehre als Konstrukteur gemacht. Heute führen Vater und Sohn – ein Kunstschlosser und ein Metallbauer – das Familienunternehmen gemeinsam.

Anderer Beruf – gleiche Werte

Viel zu tun hätten die Berufe miteinander nicht, sagt Gabriel Schenkel. «Der Beruf hat sich um 180 Grad verändert.» Früher habe ein Gespräch mit einem Kunden gereicht, um einen Auftrag zu erhalten. Heute müsse mit einer Offerte alles auf Papier festgehalten werden. Schenkel vermisst die alten Zeiten, in denen der persönliche Kontakt mit den Kunden im Vordergrund stand. «Heute läuft vieles über das Internet.» Doch durch den Computer ist auch einiges einfacher geworden. Mit Zeichenprogrammen können Konstruktionen bis auf den Millimeter genau vorgezeichnet werden. Handgefertigte Skizzen, wie sie Gabriel Schenkel noch angefertigt hat, sind überflüssig geworden.

Vater und Sohn können im Alltag voneinander profitieren. Streit gäbe es nie – höchstens Diskussionen. Das Wichtigste haben die beiden nämlich gemeinsam: einen hohen Qualitätsanspruch an sich und das Produkt. «Ich habe das von meinem Vater gelernt und Renato hat es jetzt von mir gelernt», sagt Gabriel Schenkel. Sein Sohn nickt.

Ohne Zukunft kein Nachwuchs

Das Handwerk des Kunstschlossers beherrscht Renato Schenkel nur wenig. «Reizen würde es mich schon», sagt der 32-Jährige. Ihn fasziniere die Kreativität und die Freiheiten, die man beim Schmieden habe. Doch es lohne sich für ihn nicht. «Es braucht jahrelange Übung, bis man das Schmiedehandwerk beherrscht», sagt er. «Ich kann aber nicht so viel Zeit in etwas investieren, das ich im Alltag nicht anwenden kann.» Sein Vater hat Verständnis: «Als Kunstschlosser kann man heute nicht mehr überleben. Er muss für seine Zukunft schauen.» Natürlich: Er fände es schön, das Handwerk an seinen Sohn weiterzugeben. Doch: Es gäbe einen Grund, weshalb man heute die reinen Kunstschlosser-Schmitten noch an einer Hand abzählen könne. «Den Beruf des Kunstschlossers kann man heute offiziell gar nicht mehr lernen.»

Ohne Nachwuchs keine Zukunft

Ob man das alte Handwerk noch retten könne? Das sei schwer, sagt Gabriel Schenkel. Gute Handarbeit habe seinen Preis. «Die Leute sind nicht bereit dazu, den zu bezahlen.» Erst wenn sich das ändern würde, hätte das Kunstschmieden noch eine Chance. Bis dann stirbt mit den Kunstschlossern auch ihr Wissen. Für traditionell hergestelltes Schmiedeeisen könne das gefährlich werden, warnt Gabriel Schenkel. «Wenn jahrhundertealte Kunstwerke von Laien restauriert werden, verlieren sie ihren ganzen Wert.» Das grösste Problem sei, wenn die Einzelteile nicht selber geschmiedet, sondern gekauft und dann zusammengeschweisst werden. Bei diesem Bearbeitungsprozess gehe die Individualität verloren. «Wer in seiner Werkstatt keine Esse und keinen Amboss hat, ist kein richtiger Kunstschmied», sagt Gabriel Schenkel. Wer wissen will, wie eine richtige Kunstschmiede aussieht, muss sich nur in der Werkstatt der Schenkel Metallbau GmbH umschauen. An den Wänden hängen Eisengitter und Kohlezeichnungen von alten Toren, von den Decken hängen ein halbes Dutzend Kronleuchter. Alle sind handgeschmiedet – von Gabriel Schenkel persönlich. Das Feuer in der Esse ist inzwischen erloschen. Ein Symbol für das langsam verschwindende Handwerk des Kunstschlossers? Mag sein. Doch die Geschichte des Berufes zeigt: Geht ein alter Beruf in Flammen auf, entsteht aus seiner Asche auch wieder ein neuer.

Vom Kunstschlosser zum Metallbauer

Geschichte Das alte Handwerk des Schmiedens hat sich über Jahrhunderte, gar Jahrtausende weiterentwickelt. Die Geschichte des Schmiedens geht bis in das achte Jahrtausend vor Christus zurück. Schon damals wurden Werkzeuge, Schmuck und Waffen hergestellt. Später kamen kunstvoll gefertigte Gitter, Geländer und Tore dazu. Die Schlosser gingen im 14. Jahrhundert als Kleinschmiede aus dem Handwerk des Schmiedes hervor. Mit der industriellen Revolution wurde die Schmiedekunst immer mehr durch den Eisenguss verdrängt. Industriell produzierte Halbfertigprodukte wurden häufiger. Die Schlosser übernahmen einen immer grösseren Anteil der Metallarbeiten. Viele Berufe wurden mit der Zeit neu geordnet und bekamen neue Namen. Aus dem Bau- und Kunstschlosser wurde der heute lernbare Beruf Metallbauer.