Laura Vogt verfolgt den Traum einer Profifussball- Karriere seit ihrer Kindheit. Diesen aufzugeben kam für die Torhüterin nie infrage – trotz ihrer Grösse von nur 1,60 Meter. Zurzeit spielt die 22-jährige Aescherin in einer College-Fussballmannschaft an einer amerikanischen Universität.

Beim Fussball geht es normalerweise darum, Tore zu schiessen – nicht bei Laura Vogt. Die Aescherin gibt als Torhüterin alles dafür, diese zu verhindern. Als sie neun Jahre alt war, versuchte sie sich die zum ersten Mal auf dieser Position. «Mir gefiel diese spezielle Rolle im Team», sagt die 22-Jährige. Goalis hechten mit vollem Einsatz nach dem Ball. Ein Fehler entscheidet im Ernstfall über Sieg oder Niederlage. «Es ist etwas Besonderes.» Vogt spielt zurzeit an einer amerikanischen Universität – der University of the Cumberlands – in Williamsburg im Bundesstaat Kentucky. Dort studiert sie Psychologie mit Schwerpunkt Sportpsychologie. Nebenbei trainiert sie fast täglich ihre Fussballfähigkeiten. Übt Fangtechniken und wie sie als Torhüterin in brenzligen Situationen reagieren muss. Die Aescherin hat bereits klare Vorstellungen, wie ihre Zukunft nach dem Studium aussehen soll. Sie strebt eine Karriere als Profifussballerin an – am liebsten bei einer italienischen oder spanischen Mannschaft.
Zurzeit verbringt Vogt ihre Semesterferien bei ihrer Familie in Aesch und jobbt in der Badi. Mitte Juli fliegt sie wieder zurück in die Vereinigten Staaten.
Vom FC Bremgarten nach Kentucky
Bereits als kleines Mädchen äusserte Vogt gegenüber ihrer Mutter den Traum: «Ich will Profifussballerin werden.» Ihre Begeisterung kommt nicht von irgendwo. Vogt, die in Bremgarten aufwuchs und vor etwa zwei Jahren nach Aesch zog, besuchte in ihrer Kindheit immer wieder mit ihrer Familie die Fussballspiele vom FC Basel. Ihre Mutter trainierte beim FC Bremgarten die Junioren, wo zuerst ihr zwei Jahre älterer Bruder spielte, mit fünf Jahren schliesslich auch sie. Lange war Vogt das einzige Mädchen in der Mannschaft. Ab und zu musste sie sich deswegen dumme Sprüche anhören. Davon liess sie sich aber nie beirren. Im Gegenteil: «Ich fand es eigentlich eher cool, wenn sich eine Mutter darüber aufregte, dass ein Mädchen ihrem Sohn den Platz in der Startaufstellung wegnahm», sagt sie und lacht. Mit 12 Jahren wechselte sie zum FCZ, wo sie in der U14, U16 und U18 spielte. Danach ging es für sie zu GC in die U19. 2016 wurde sie mit der Mannschaft Schweizermeisterin.
Als Vogt bei GC spielte, wurden Talentsucher von der Vermittlungsagentur «Sport-scholarships» auf sie aufmerksam, fragten sie an, ob sie interessiert daran wäre, an einem amerikanischen College zu spielen. Durch ihren Abschluss an der Wirtschaftsmittelschule erfüllte sie die Voraussetzungen. Vogt sagte zu. Schliesslich entschied sie sich für die University of the Cumberlands, die ihr ein Vollstipendium anbot. «Das Gesamtpaket stimmte.» Der Aufbau vom Training und die Spielphilosophie überzeugten sie. Zudem gehört ein Goalietrainer zum Team, der die Mannschaft an alle Spiele begleitet. «Das haben nicht alle Unis angeboten.» Bevor sie 2020 nach Amerika ging, spielte Vogt zuletzt bei den FC Aarau Frauen in der NLB.
Eine Frage der Organisation
An der Universität in Williamsburg sind rund 80 Prozent der Studierenden Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt. Vogt teilt sich ihr Zimmer mit einer finnischen Teamkollegin. Die komplette Schulanlage ist auf die verschiedenen Sportarten ausgerichtet. Fitnessanlagen. Garderoben. Pool. Fussballplatz. Ihren Stundenplan kann sich die Psychologiestudentin selber einteilen, passend zu ihrem Training. So hat sie meistens am Morgen Vorlesungen. Einziger Nachteil an der Universität: der Standort. «Bis auf die Universität gibt es in Williamsburg so gut wie nichts.» Die nächste grössere Stadt Knoxville sei ungefähr eine Stunde Autofahrt entfernt. Stören tut das Vogt nicht. «Ich bin schliesslich für das Fussballspielen dort.»
Fast jeden Tag trainiert sie bis zu drei Stunden – die Goalies beginnen bereits eine Stunde vor dem regulären Training. Zusätzlich geht sie fast jeden Tag bis zu eineinhalb Stunden ins Fitness. Zwei Mal in der Woche finden während der Saison, die zwischen August und Dezember stattfindet, Spiele statt. Nach dem zweiten Spiel gibt es einen Tag Ruhepause. «Während der Saison ist es schon anspruchsvoll, nebenbei zu studieren», sagt die Aescherin. Da sie das Studienfach aber interessiere, falle es ihr einfacher. «Es ist mehr eine Frage vom richtigen Planen und Organisieren.»

Yann Sommer als grosses Vorbild
Eine Frau, die Fussball spielt, ist mittlerweile nichts Aussergewöhnliches mehr. Mit dummen Sprüchen und kritischen Stimmen wird Vogt aber nach wie vor konfrontiert. Der Grund: Ihre Grösse. Mit 1,60 Meter entspricht sie in der Theorie nicht den optimalen Voraussetzungen für eine Torhüterin. «Insbesondere bei den Jugend-Mannschaften hiess es immer wieder, ich sei zu klein für eine Profifussball-Karriere.» Manchmal zweifelte auch sie an sich. Stellte sich die Frage: «Wie soll ich mich gegen eine Torhüterin durchsetzen, die viel grösser ist als ich?» Aufhören kam für Vogt trotzdem nie infrage. Stattdessen setzte sie sich mit Mentaltraining und der Sportpsychologie auseinander. Trainierte umso härter, insbesondere an ihrer Sprungkraft. Dumme Sprüche spornen sie heute an. Sie glaubt fest daran: «Ich werde es schaffen. Das ist mein Traum.» Ihre Grösse stört ihren jetzigen Fussballtrainer nicht. «Für ihn muss die Leistung schlussendlich stimmen.» Und das tut sie. In der letzten Saison hielt Vogt in 16 Spielen 49 Bälle – 8 Tore gingen ins Netz. Ihre Quote beim Halten von Flanken ist höher als bei ihren wesentlich grösseren Teamkolleginnen. Das gibt ihr Hoffnung, den Sprung in den Profifussball zu schaffen. «Es muss mir nur jemand eine Chance geben.» Dass es geht, hat ihr grosses Vorbild Yann Sommer vorgemacht. Auch er gehört mit 1,83 Meter zu den kleineren Torhütern im Männerfussball.
Für die Zukunft absichern
Vogt hofft, dass sie nach dem Studium zu einer Mannschaft wie Atletico Madrid wechseln kann. «In der Schweiz gibt es zwar auch starke Mannschaften, im Ausland ist der Frauenfussball jedoch professioneller aufgestellt.» Eine Mannschaft in der Schweiz würde sie dennoch reizen. Der Club, von dem sie von klein auf Fan ist: der FC Basel. «Es wäre schon cool im Verlaufe meiner Karriere einmal diese Farben zu tragen.»
Nur auf Fussball will die 22-Jährige allerdings nicht setzen. Ohnehin sei das im Frauenfussball schwierig. Einerseits habe sie Verständnis: Weniger Zuschauer. Geringere Werbeeinnahmen. Tiefere Löhne. «Es ist trotzdem verrückt, wie viel Frauen neben einer Profifussball-Karriere noch arbeiten müssen.» Der Frauenfussball habe zwar in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Das Niveau der Athletinnen habe sich verbessert: Die Spiele seien schneller und technisch anspruchsvoller geworden. Auch die Frauenfussball-EM in England, die Anfang Juli startet, könne die Aufmerksamkeit erhöhen und kleine Mädchen dazu anspornen, Fussball zu spielen. «Trotzdem bezweifle ich, dass die Frauen jemals gleich viel verdienen werden, wie die Männer.» Um sich abzusichern, will Vogt nach ihrem Bachelor noch einen Master in Betriebswirtschaft machen. Während ihrer Fussballkarriere will sie sich eine eigene Agenturfirma aufbauen. Diese soll einerseits Goalie-Training anbieten und andererseits auf Sportpsychologie und Mentaltraining setzen – von dem Vogt überzeugt ist. So lernte sie, wie sie Ziele erreichen und mit schlechten Erfahrungen umgehen kann. «Rückschläge passieren. Wichtig ist, nie aufzugeben und für seine Träume zu kämpfen.»