Auf der Jagd nach einem Schnappschuss

Stockenten, Graureiher oder Bienenfresser: Die Vogelfotografie fasziniert den Baldegger Hobbyfotografen Christian Lötscher. Um das perfekte Bild einzufangen, ist viel Geduld gefragt – und ein wenig Glück.

Um unauffälliger zu wirken und für die richtige Perspektive, legt sich der Baldegger Fotograf Christian Lötscher auf den Steg beim Steinibühlweiher. Foto: Milena Stadelmann

Ein Jäger pirscht sich an, macht sich unsichtbar und wartet – bis ihm seine Beute vor die Flinte, oder im Fall von Christian Lötscher, vor die Linse läuft. Dann drückt er ab. Der Baldegger Hobbyfotograf liegt an diesem Donnerstag Anfang März auf dem Steg beim Steinibühlweiher in Sempach. Getarnt mit einem Pullover in unauffälligen Farben. In der Hand hält der 36-Jährige seine Kamera mit einem massiven Objektiv. Damit kann er seine Beute problemlos aus der Ferne ablichten. Die geschulten Augen von Lötscher entdecken hinter dem Schilf einen Graureiher. Auf dem Wasser, das von dem Sonnenuntergang orange schimmert, schwimmen ein paar Stockenten. Noch lohnt es sich nicht, den Auslöser zu drücken.

 

«Ich habe schon immer gerne mit der Kamera herumhantiert», sagt Lötscher. Insbesondere die technischen Aspekte interessieren den gelernten Elektroinstallateur. Lange Zeit habe er aber «mehr geknipst als fotografiert». Das änderte sich vor etwa sechs Jahren. 2016 wanderte Lötscher mit seinem Vater von seinem Heimatort Eschenbach nach Scuol im Unterengadin. Mit im Gepäck: seine Kamera. «Viel habe ich auf der Wanderung gar nicht fotografiert», sagt Lötscher, der im Kloster Baldegg als Leiter Instandhaltung und Technik arbeitet. Doch um einen Sonnenaufgang festzuhalten, holte der Bald-
egger die Kamera aus der Tasche. Es war noch dunkel, er fotografierte in den Wald hinaus. «Auf den Bildern waren Sterne zu sehen, die ich von blossem Auge gar nicht wahrgenommen habe.» Lötscher war fasziniert von den Möglichkeiten, welche die Fotografie bietet. Das Feuer war entfacht. Darauf begann sich der Seetaler vertieft mit der Fotografie zu beschäftigen. Las Bücher, schaute Lernvideos und probierte das Gelernte aus. «So habe ich mich ständig verbessert und weiterentwickelt.»

Dieses Bild begeisterte Christian Lötscher für die Vogelfotografie. Foto: Christian Lötscher

Übung macht den Meister

Am Anfang fotografierte Lötscher hauptsächlich Landschaften. «Etwa vor einem Jahr hat mich dann die Vogelfotografie gepackt.» Ausschlaggebend war ein Bild, das der Baldegger durch Zufall schoss. Sechs Enten schwimmen über den Sempachersee, das Wasser erscheint fast schon weiss. «Das Bild hat eine ganz spezielle Stimmung.» Er gibt zu: Vorher habe er sich gar nicht gross für die Tiere interessiert. «Ich bin mehr bei den Vögeln aufgrund der Fotografie, als umgekehrt.» Doch nach dem Schnappschuss begann er sich immer mehr über sie zu informieren. Schlug verschiedene Vogelarten nach, lernte ihr Verhalten kennen. Daran passte er sich an, erhielt immer bessere Bilder. Die Faszination wuchs. Lötscher reizt an der Vogelfotografie die Schwierigkeit. Sicher: Ein gutes Landschaftsbild sei auch nicht einfach. Wetter, Lichtverhältnisse und Bildausschnitt müssten stimmen. Bei den Vögeln komme das Fachwissen dazu – und die Geschwindigkeit. Kameraeinstellungen, Perspektive und der richtige Augenblick seien wichtige Komponenten. «Manchmal ist der Vogel schon wieder weg, bevor ich überhaupt abgedrückt habe.»

 

Übung macht den Meister. Deshalb ist Lötscher fast jede Woche mit seiner Kamera in der Natur unterwegs – hauptsächlich in der Region. Am Baldeggersee, im Vogelmoos in Römerswil oder dem Steinibühlweiher in Sempach. Das Fotografieren verbindet er mit Spaziergängen in der Natur. Oft dabei sind seine Lebenspartnerin oder die 9-jährige Tochter. Beide sind ebenfalls von der Fotografie begeistert. Nicht auf jedem Ausflug entstehen gute Bilder. Für Lötscher kein Ärgernis: «Dann haben wir einfach Zeit zusammen in der Natur verbracht.» Bei der Fotografie gehöre eben immer auch ein wenig Glück – und viel Geduld – dazu.

Warten, warten, warten

An einem Wochenende gelang Lötscher nach neun Stunden ein Bild von einem Eisvogel in der Region. Obwohl er mit dem Endergebnis nicht ganz zufrieden war, freute er sich nach all den Stunden über seine Beute. Der Eisvogel liess ihn danach nicht mehr los. Immer wieder suchte er mit seinem Feldstecher die Bäume nach der Vogelart ab. Schliesslich schoss der Baldegger im BirdLife-Naturzentrum beim Klingnauer Stausee (AG) ein Bild nach seinen Vorstellungen. Das sei eines seiner besten Vogelfotografien, sagt Lötscher mit Stolz. Woher der 36-Jährige die Geduld für das lange Warten nimmt? «Das weiss ich manchmal selbst nicht.» Im Alltag sei er zwar nicht der ungededuldigste, aber auch nicht der geduldigste Mensch. «Mit dem Ziel vor Augen geht es einfach.»

 

Lötscher hat bereits eine nächste Vogelart im Visier, die er fotografieren will: einen Bienenfresser. Dieser hält sich nur während ein paar Monaten in der Schweiz auf. Im Frühling fotografiert der Baldegger ohnehin besonders gerne Vögel. Im letzten Sommer sei er enttäuscht gewesen: Oft sah er vor lauter Blätter die Vögel nicht mehr.

Besonders stolz ist Christian Lötscher auf dieses Bild von einem Eisvogel beim Klingnauer Stausee. Foto: Christian Lötscher

Schönheit der 
Natur vermitteln

Nach dem Fotografieren geht es an die Bildbearbeitung. Lötscher verändert nicht viel an seinen Bildern, korrigiert lediglich die Helligkeit oder retuschiert Staubflecken. Im letzten Jahr bearbeitete er um die 1500 Bilder. «Den Auslöser habe ich vermutlich noch etwa fünf- oder zehnmal mehr gedrückt.» Auf seiner Festplatte sammelten sich etwa 700 Gigabyte Bildmaterial an. Damit die Bilder nicht darauf verstauben, lässt Lötscher seine Fotografien ab und zu auf Poster drucken, viele teilt er in den sozialen Medien. Auf Facebook oder Instagram. Auch auf den Accounts des «Seetaler Bote» sind immer wieder Momentaufnahmen des Hobbyfotografen zu sehen. Durch die Plattformen erhofft sich Lötscher, eine grössere Reichweite aufzubauen. Doch das sei nicht einfach: «Man geht so schnell in der Masse unter.» Insbesondere weil heute jeder mit dem Handy eine gute Kamera dabei habe. Der Baldegger kann es sich deshalb zurzeit nicht vorstellen, einmal hauptberuflich als Fotograf zu arbeiten. «Davon zu leben ist schwierig. Aber ein Nebenverdienst wäre schön.» Nur schon, um die Kosten für die Fotoausrüstung zu decken, in die Lötscher mehrere Tausend Franken investiert hat.

Mit seinen Bildern will der 36-Jährige den Menschen die Schönheit der Natur näherbringen und den Respekt ihr gegenüber fördern. Ein respektvoller Umgang sei auch beim Fotografieren wichtig. Immer wieder versucht sich der Baldegger in anderen Richtungen der Fotografie, um die Vielfältigkeit der Natur einzufangen. Zum Beispiel in der Makrofotografie oder bei der Ablichtung von anderen Tieren wie Rehen. So sass er auch schon vor Sonnenaufgang mit seiner Lebenspartnerin in einem Tarnzelt am Waldrand. «Vielen ist gar nicht bewusst, wie viele Tiere wir überhaupt in unseren Wäldern haben.» Seitdem er mit dem Fotografieren begonnen habe, nehme er seine Umwelt viel intensiver wahr, gehe mit offenen Augen und Ohren durch das Leben. «Man sieht und hört teilweise Sachen, auf die man noch nie geachtet hat.» Manchmal habe das fast etwas Meditatives. Geduldig liegt Lötscher auf dem Steg am Steinibühlweiher – und wartet. Plötzlich: Der Moment ist gekommen. Die Stockenten schwimmen in Lötschers Richtung. Jetzt muss es schnell gehen. Der Fotograf festigt mit der einen Hand den Griff um seine Kamera, mit der anderen stabilisiert er das Objektiv. Die Anspannung steigt. Wird das Bild gelingen? Der Fotograf blickt durch den Sucher, nimmt eine Ente ins Visier, fokussiert – und drückt ab.

 

Mehr Informationen: www.chl-fotografie.ch

Das Ergebnis: Die Stockente fotografierte Lötscher Anfang März. Foto: Christian Lötscher